Es hat etwas von einer Diskothek, wenn man spätabends am Strand von Alnes steht und den Blick ins Dunkel schweifen läßt. Okay, statt Technomusik hört man lediglich das Rauschen der Brandung und es gibt auch nirgends eine Biertheke. Aber von allen Seiten blinkt in verschiedenen Farben im Takt. Wie in der Disco eben.
In Zeiten von GPS und Sonar haben Leuchtfeuer in der Schifffahrt an Bedeutung verloren. Ganz verzichten will und kann man allerdings auch heute nicht auf sie. Außerdem gehören sie natürlich zur Küstenkultur. 154 Leuchttürme zählt Wikipedia entlang der langen zerklüfteten norwegischen Küste. Im Gegensatz zum ältesten Leuchtturm Norwegens, dem Lindesnes Fyr, der seit 1655 errichtet wurde, sind die Anlagen in Sunnmøre schon fast neu.
Neben den großen Anlagen bestehen auch heute noch zahllose Warnfeuer, die Untiefen, Hafeneinfahrten, Fahrrinnen oder kleinere Schären bzw. Holme markieren. Diese in ihrer Gesamtanzahl zu beschreiben, ist ein schier unmögliches Unterfangen.
Im heutigen Blogeintrag geht es daher ausschließlich um die um die Küsten- und Leitfeuer in Sunnmøre. Alleine eine kurze Beschreibung dieser insgesamt 20 Anlagen wird wohl meinen bisher längsten Blogeintrag zur Konsequenz haben. Jedes einzelne Leuchtfeuer hat sein individuelles Blinkschema, welches aus der sogenannten Kennung (dem eigentlichen Blinkschema) und der Wiederkehr (also der Zeitspanne, in der die Kennung abläuft) bestehen
Starten wir im Norden von Sunnmøre und beginnen gleich mit einem der schönsten Leuchttürme. Auf dem kleinen Inselchen Ona gelegen, die (noch) zur Sandøy Kommune zählt, thront das Küstenfeuer Ona Fyr. Mehr als 10 Kilometer vom Festland entfernt ist schon alleine die Anreise ein Seeabenteuer der besonderen Art. Weniger als 20 Einwohner leben auf Ona. Der Leutturm selbst steht am höchsten Punkt der Insel. Das Licht des 14 Meter hohen Eisenturms aus dem Jahr 1867 strahlt knapp 18 Seemeilen weit hinaus aufs Meer. Wie alle anderen Leuchtfeuer in Norwegen auch, wurde Ona Fyr mittlerweile automatisiert.
Etwa 4 Kilometer südöstlich von Ona Fyr, allerdings ebenfalls zur Sandøy-Kommune gehörend, liegt Flatflesa Fyr. Als klassisches Leitfeuer wurde auch hier der Leuchtturmwärter wegrationalisiert. Auf dem winzigen Felsen wohnt seither niemand mehr. Der 1902 errichtete Turm wurde im Jahr 1988 abgerissen und durch einen funktionellen Eisenmast ersetzt, auf dem das Leutfeuer angebracht ist. Genau wie am Ona Fyr sind die Wirtschaftsgebäude nach wie vor erhalten. Auf Flatflesa kann man sie sogar mieten und einen Aufenthalt der ganz besonderen Art erleben. 16 Übernachtungsgelegenheiten bieten die insgesamt 4 Gebäude. Nähere Informationen zu Verfügbarkeit, Preise und vor allem Anreise (entweder per Boot, RIB oder Helikopter) sowie Kontaktdaten gibt es unter www.classicnorway.no/hotell/flatflesa-fyr/
Ebenfalls übernachten kann man gut 10 Kilometer südwestlich von Flatflesa Fyr. Dort befindet sicg auf dem sogenannten Kverholmen, der durch ein etwa 50 Meter langes Fußgängerbrückelchen mit der Insel Harøya verbunden ist, der Leuchtturm Ulla Fyr. Auch ein – allerdings sehr sporadisch geöffnetes – Cafe gibt es hier draußen Ulla Fyr ist eine Fahrrinnen-Markierung, die seit 1874 in Betrieb ist. Den heutigen Turm, der 10 Meter hoch ist und dessen Licht bis zu einer Entfernung von 14 Seemeilen erkennbar ist, wurde 1949 errichtet, nachdem die Anlage im 2. Weltkrieg durch alliierte Bomber stark beschädigt wurde. Ulla Fyr wurde bereits 1975 automatisiert und wird seit 2002 von einem Förderverein im Auftrag des norwegischen Küstenschutzes verwaltet und Instand gehalten. Dieser Förderverein betreibt auch das Cafe und vermietet die Funktionsgebäude an Gäste. Kontakt hier am Besten via Facebook unter «Ullafyrets venner».
Auf der anderen Seite, also südöstlich von Haramsøya steht auf halbem Weg nach Brattvåg auf einem kleinen Holm die Rødholmen Fyrstasjon Dieser Leuchtturm aus dem Jahr 1893 wurde bereits 1954 stillgelegt und durch einen einfachen Lichtmast ersetzt. Die ehemaligen Wirtschaftsgebäude existieren nicht mehr.
Ebenfalls nicht weit entfernt von Ulla Fyr und zur Gemeinde Haram gehörend befindet sich auf der Nachbarinsel Lepsøy der Leuchtturm Hellevik Fyr. Mit seiner Lage direkt am Haramsfjorden bietet er eine schöne Aussicht hinüber nach Haramsøya. Dieses Leitfeuer bestand seit 1880. 1918 wurde es es komplett erneuert. Seit 1988 ist Hellevik Fyr allerdings stillgelegt und in Privatbesitz.
Etwas irreführend hinsichtlich der Namensgebung verhält es sich mit Lepsøyrevet Fyr. Der massive achteckige Turm steht nämlich nicht auf der Insel Lesøya sondern genau gegenüber und somit auf dem Festland. Am Ende einer ellenlangen Mole nicht weit entfernt vom Fähranleger Skjelten gelegen, ersetzte diese Anlage ab 1879 das Feuerschiff, welches in unmittelbarer Nähe verankert war. Es dauerte bis ins Jahr 1930, als Lepsøyrevet Fyr elektrifiziert wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Leuchtfeuer zweimal angegriffen und dabei schwer beschädigt. Seit 1956 ist Lepsøyrevet Fyr automatisiert und seit 2014 stillgelegt. Heute kümmern sich die «Lepsøyrevet Fyrvenner» um die Anlage und vermieten den Leuchtturm auch für Festlichkeiten. Übernachtungen werden allerdings nicht angeboten.
Einst befanden sich die meisten bemannten Leuchttürme Sunnmøres in der Giske-Kommune. Auch heute noch blinkt und leuchtet es in den Nächten hier aus allen Ecken und Kanten. Allerdings wurden über die Jahre die Fyrstasjoner Synes (erbaut 1867) und Rosholmen (erb. 1881) auf Vigra sowie die Valderhaug Fyrstasjon auf Valderøya (erbaut 1772) stillgelegt und durch einfache Leuchtmasten ersetzt. Die verbliebenen 4 Anlagen sind allerdings eigentlich jeweils einen eigenen Blogeintrag wert. Und beim Alnes Fyr ist das ja auch schon geschehen, daher an dieser Stelle nur eine relativ kurze Beschreibung. Dieser imposante Turm steht auf einer Landzunge am Nordzipfel der Insel Godøy. Die Holzkonstruktion ist 23m hoch und dient als Küstenfeuer. Alnes Fyr ist eines der beliebtesten Ausflugsziele der Gegend um Ålesund.
Die Anlage aus dem Jahr 1853 ist seit 1982 automatisiert. Direkt nebenan wurde 2016 ein Kultur- und Veranstaltungscenter errichtet (Alnes Fyr opplevelsessenter), dem auch ein Restaurant angeschlossen ist. Alnes Fyr ist immer wieder Kulisse für Fernsehfilme und Reklamespots. Weitere Informationen zu Alnes Fyr gibt es in einem gesonderten Blogeintrag (http://reiseblog-sunnmore.com/2018/02/22/die-erleuchtung/), unter www.alnesfyr.no oder auf deren Facebookseite.
In Sichtweite von Alnes Fyr befinden sich mehrere weitere Küstenfeuer, die aber für Besucher so gut wie unerreichbar sind. Zum Einen wäre da mit Storholmen Fyr eine Anlage weit draußen vor der Küste, die nicht einmal eine vernünftige Anlegestelle vorweisen kann. Wer sich also einen Helikopterflug nicht leisten kann oder will, dem bleibt nur das Kajak übrig. Dabei sind die 11 Kilometer Paddelstrecke noch die kleinere Herausforderung. Das Anlanden hat es dagegen in sich. Doch einmal angekommen befindet man sich in der Zeit um mehrere Jahrzehnte zurück versetzt, denn die Station wurde 1980 automatisiert und seither nur äu äußerst selten betreten. Etwas einfacher erreichbar, allerdings nur sehr eingeschränkt betretbar ist dagegen Erkna Fyr. Dieses Küstenfeuer liegt ebenfalls fernab in der Nordsee, wenn auch nicht ganz so weit draußen wie Storholmen Fyr. Dennoch ist es durchaus bekannt, liefert es doch mit Regelmäßigkeit bei Sturm die höchsten Windgeschwindigkeiten der Region ab. Von Alnes Fyr sind es knapp 5 Kilometer bis hinüber. Allerdings darf Erkna aus Naturschutzgründen zwischen 1. Mai und 1. August nicht betreten werden. Die Anlage selbst thront wie eine Trutzburg auf dem kleinen Eiland, dessen Licht seit 1869 mehr als 17 Seemeilen weit zu sehen ist.
Molja Fyr in Ålesund fällt in der Aufzählung der großen Leuchtfeuer etwas aus dem Rahmen da es sich hierbei um eine einfache Markierung einer Hafeneinfahrt handelt, wie es sie an fast jeder Hafenmole Norwegens zu sehen gibt. Allerdings verbirgt der kleine rot lackierte Turm in seinem Inneren eines der spektakulärsten Hotelzimmer der Welt. Das Zimmer Nummer 47 des Ålesunder Brosund Hotels befindet sich in dem Turm. 12 Quadratmeter Luxus, der allerdings auch seinen Preis hat. Etwa 600Euro kostet die Übernachtung zu Zweit.
Segelt man dann von Ålesund an der Küste entlang nach Süden, passiert man bereits nach kurzer Zeit das Hafenzufahrtsfeuer Høgstein Fyr. Der 11 Meter hohe schnuckelige Turm aus Ziegelstein ist am Ende einer Naturmole ganz im Süden der Insel Godøya untergebracht. Seine Lage macht Høgstein Fyr zu einem wichtigen Merkmal im Sund zwischen Godøy und dem Festland. Der unter Denkmalschutz stehende Turm aus dem Jahr 1857 ist mittlerweile stillgelegt. Blickt man von Høgstein Fyr nach Westen, sieht man es in etwa 10 Kilometer Entfernung abermals blinken. Diese Einfahrtsmarkierung gehört zu Grasøyane Fyr auf der gleichnamigen Mini-Inselgruppe, die vor dem Dörfchen Flø liegt und zur Ulstein-Kommune gehört. Die markante Anlage besteht aus 2 Türmen. Der «neue» Gußeiserne Turm aus dem Jahr 1950 und der alte, 1945 bei einem Luftangriff beschädigte und nicht mehr in Betrieb befindliche Holzturm. Leider konnte ich nicht herausfinden, inwieweit es möglich (und erlaubt) ist, auf den Grasøyane anzulanden, allerdings gibt es hin und wieder Seekayaker, die von Flø aus Touren dorthin unternehmen.
Der vielleicht spektakulärste Leuchtturm Sunnmøres, der mir auch schon einen eigenen Blogbericht wert war (http://reiseblog-sunnmore.com/2017/08/06/after-work-tour-auf-der-insel-runde/ ) , befindet sich auf der Vogelinsel Runde. An der Nordwestspitze der Insel befindet sich dieses Küstenfeuer, das entweder per Boot oder per Wanderung vom Weiler Goksøyr aus erreicht werden kann. Die älteste und gleichzeitig leistungsstärkste Anlage Sunnmøres stammt aus dem Jahr 1767 und ihr Licht ist 19 Seemeilen weit zu sehen.
Die Natur hier sucht seinesgleichen, denn sowohl seltene Vögel (v. a. Papageientaucher) als auch Seehunde und ab und sogar Wale gibt es mitunter hier zu sehen. Das ursprünglich offene Kohle- oder Torffeuer war bei Wind und Regen schwerlich am Brennen zu halten, so das ein Turm errichtet wurde, der nach und nach immer weiter erhöht wurde. 1935 wurde dieser Turm weitestgehend abgetragen und durch ein elektrisches Feuer in unmittelbarer Nähe ersetzt. Die Wirtschaftsgebäude werden heute an Übernachtungsgäste vermietet. Informationen dazu unter www.aast.no.
Gut 5 Kilometer südlich von Runde Fyr liegt Flåvær Fyr. Die beiden Feuer haben aufgrund der zwischen ihnen liegenden Insel Nerlandsøy keinen Sichtkontakt zueinander. Im Gegensatz zu Runde Fyr ist Flåvær Fyr der rauhen Nordsee deutlich weniger ausgesetzt. Erbaut wurde Flåvær Fyr 1870 auf einem Holm, der inmitten einer ganzen Gruppe anderer Holmen mitten im Herøyfjord. Das Küstenfeuer bietet eine atemberaubende Aussicht hinüber nach Sandsøya und weiter zur Halbinsel Stad und dem bekannten Westkapp. Bis 1979 war die Anlage bemannt, bevor sie elektrifiziert und dann auch automatisiert wurde.
Ein echtes Highlight in Sachen Leuchttürme bietet sich knapp 14 Kilometer westlich von Flåvær Fyr. Dort liegt auf dem winzigen Eiland Svinøy der Leuchtturm Svinøy Fyr. Kaum ein Leuchtfeuer ist den Naturgewalten derartig extrem ausgesetzt wie dieses Küstenfeuer, das erst 1905 errichtet wurde. Die Anlage wurde erst 2005 automatisiert. Die Anlage wird heute von der norwegischen Küstenwacht verwaltet. Ein exklusiver Reiseveranstalter jedoch bietet 4 mal jährlich Übernachtungsaufenthalte inklusive Helikopteranreise auf Svinøy Fyr an. Preise konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Mehr Informationen unter www.62.no
Wie schon erwähnt hat die Bedeutung von Leuchttürmen für die Schifffahrt in Zeiten von Satellitennavigation abgenommen. Als Teil der Küstenkultur und des Denkmalschutzes möchte man aber so viele Anlagen wie möglich erhalten. Kein einfaches Unterfangen, denn die finanziellen Mittel, die für Instandhaltung und Sicherung benötigt werden, sind immens. «Erhaltung durch Gebrauch» lautet die Devise der Küstenwacht. Mit diesem Grundsatz wird versucht, Enthusiasten zu finden, die mit viel persönlichem Einsatz dieses Kulturerbe bewahren. Man kann nur die Daumen drücken, dass es auch in Zukunft so gut gelingen möge, wie es bisher gelang.
Dirk, 04.11.
Quellen: www. fyr.no, www.kystverket.no, Wikipedia
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