Letztendlich ist es eine Petroleumlampe, an die jedes Jahr im Januar in Ålesund gedacht wird. Denn eine Solche stand am Beginn der grössten Katastrophe der Ålesunder Stadtgeschichte.
Die Nacht vom 22. auf 23. Januar des Jahres 1904 war es, als eine umgestürzte Petroleumlampe den Stadtbrand auslöste, der die Geschichte Ålesunds wohl am nachhaltigsten beeinflusste. Eine humanitäre Katastrophe mitten im Winter, grosses Leid, 850 zerstörte Häuser und tausende Obdachlose waren die Folge. Aber auch ungeheure Solidarität aus aller Welt und ein völlig neues und unverwechselbares Stadtbild waren die Folge. Gerade Letzteres ist heute Anziehungspunkt für unzählige Besucher. Die Jugendstilstadt Ålesund gilt für viele als die schönste Stadt Norwegens.
Jedes Jahr gedenkt man dem Schicksalstag der Stadt. Lange Zeit geschah das lediglich in kleinem bis sehr kleinem Rahmen.
Dann aber begannen die sogenannten Stadtpatrioten (sie heissen übersetzt tatsächlich so), am Jahrestag des Brandes eine geführte Stadtwanderung zu veranstalten und obwohl die Wanderung um 2:15 Uhr morgens beginnt – dem Zeitpunkt des Brandausbruchs – nahmen mehr und mehr Menschen daran teil. Sogar Schulklassen waren mitten in der Nacht mit dabei.
Seit einigen Jahren wird nun zusätzlich entlang des Brosunds, dem Sund zwischen den Ålesunder Inseln Nørvøya und Aspøya, eine spektakuläre Licht- und Lasershow aufgeführt. Zahlreiche Sponsoren tragen dazu bei, diesen Tag zu einem aussergewöhnlichen Event werden zu lassen.
Wir selbst fuhren mit dem Hurtigbåt, also der Personenfähre, ins Stadtzentrum und konnten schon bei der Einfahrt in den Hafen die faszinierende Beleuchtung der Jugendstilhäuser bewundern. Doch richtig los ging es dann um 19.00 Uhr. Mit einer grossartigen Lightshow wurde die Geschichte des Stadtbrandes auf die Häuser projeziert. Mittels einer grossen Lautprecheranlage wurden auch die entsprechenden Geräusche effektvoll erzeugt und ein Sprecher erzählte den mehreren tausend Zuschauern die Geschichte, die sich in der Nacht vom 22. auf den 23. Januar 1904 abspielte. Zum Abschluss des vielumjubelten Events gab es noch ein ordentliches Feuerwerk.
Da auch das Wetter mitspielte, kann man ohne Übertreibung von einer grossartigen Veranstaltung sprechen. Noch das ganze Wochenende über wird es noch eine ganze Reihe von Veranstaltungen geben, die sich mit dem Stadtbrand von Ålesund beschäftigen. Das Spektrum reicht von Theateraufführungen über eintrittsfreie Museen bis hin zum bereits erwähnten Stadtbrandspaziergang.
Zum geschichtlichen Hintergrund: In der besagten Nacht brannten weite Teile Ålesunds nieder.
Das Feuer wütete über 15 Stunden lang und konnte durch starke Winde, die noch dazu aus dauernd unterschiedlichen Richtungen bliesen, lange Zeit nicht unter Kontrolle gebracht werden. Erste internationale Hilfe erreichte Ålesund schon 4 Tage nach dem Brand. Der Deutsche Kaiser Wilhelm II schickte insgesamt vier Schiffen der Reichsmarine mit Hilfsgütern aus Hamburg und Bremerhaven. Die Schiffe wurden für eine Übergangszeit als Notunterkünfte genutzt. Zur Erinnerung an diese hmanitäre Hilfe ist eine Straße in Ålesund nach Kaiser Wilhelm II. benannt und ihm im Stadtpark ein Denkmal gesetzt.
Ålesund wurde innerhalb von vier Jahren, im Jugendstil wieder aufgebaut, der noch heute die Innenstadt maßgeblich prägt.
Dirk, 20.01.2018