Ja, vi elsker…

Man braucht gar nicht erst auf den Kalender zu schauen: Kaum, dass der Winter vorbei ist und die Tage länger werden, rennt unsere jüngere Tochter irgendwann singend durch die Wohnung. «Ja vi elsker dette landet…» brummelt sie die ganze Zeit vor sich her. Die ältere Tochter beginnt zeitgleich, den selben Song auf ihrem Kornett zu üben.

Nun ist «Ja vi elsker dette Landet» kein gewöhnlicher Song – immerhin ist es die Nationalhymne Norwegens – und geübt wird er, weil sich der norwegische Nationalfeiertag ankündigt, der jedes Jahr bis ins letzte Fleckchen des Landes hinein gefeiert wird. Zelebrieren trifft es wohl eher, denn die Norweger begehen diesen Tag – es ist der 17. Mai – mit einer solchen Hingabe, dass man sich als deutscher Einwanderer in einer Mischung aus Verwunderung und Ehrfurcht nur die Augen reiben kann.

Neben des Übens der Hymne müssten selbstverständlich auch noch die Klassenbanner auf Vordermann gebracht werden. Die werden auf dem traditionellen Umzug, bei der alle Schulklassen und natürlich auch der Kindergarten in voller Mannschaftsstärke antreten.

Auch, wenn sich der Ablauf im Vergleich zum Vorjahr meist nur geringfügig ändert, so ist die Organisation der Feierlichkeiten Sache des Festkomitees, deren Mitglieder jeweils am Ende der Feier für das kommende Jahr ernannt wird. Schliesslich muss das Programm gestaltet, die Halle geschmückt und die Festreden vorbereitet werden. Von den technischen Anforderungen, der Besorgung von Kränzen, Blumengestecken und sonstigen Utensilien ganz zu schweigen. Allerdings werden auch die Eltern schulpflichtiger Kinder werden in die Pflicht genommen, denn ihnen obliegt die Verpflegung der Besucher. Kuchen, Salate und Pizzaröllchen werden in grosser Zahl benötigt, um alle satt und die Klassenkassen voll zu bekommen.

Ist der grosse Tag dann da, heisst es früh aufstehen. Bevor man sich zum Festumzug begibt, muss das Haus geschmückt werden. Die angemessene Beflaggung ist dabei das Mindeste, was man an Respekt vor diesem Tag erweisen sollte. Unmittelbar nach dem Frühstück werfen sich alle dann in die feinsten Klamotten, die der Kleiderschrank hergibt. Die Einheimischen greifen dabei natürlich auf die traditionelle Bunad zurück, eine Art Bauerntracht, die in diesem Blog noch einen eigenen Eintrag bekommen wird. Anschliessend geht es hinüber zur Schule, dem Ausgangspunkt des Festumzuges. Dieser startet um 10 Uhr und startet wie gewöhnlich lautstark. Hinter einer Gruppe von Fahnenträgern animiert ein  Einpeitscher mit Megaphon die Schulklassen, Lieder, Jubelrufe und Choreographien zu präsentieren. Und die machen – wenn auch nicht ganz uneigennützig – eifrig mit, denn die aktivste Schulklasse des Festumzugs wird mit einer Prämie von 1.000 Kronen für die Klassenkasse gelockt. Da hat es das Schulkorps ab und an nicht leicht, sich mit ihrer Musik Gehör zu verschaffen. 

Der Umzug führt am Altenwohnheim und dem kleinen Hafen vorbei und endet am Kriegsmahnmal neben dem Gebetshaus, vor dem noch ein Kranz für die Opfer des 2. Weltkrieges niedergelegt wird. Es folgt ein kurzer Gottesdienst, bevor sich die Menge dann so langsam auf den Weg zur Sporthalle macht, um den weiteren Feierlichkeiten beizuwohnen. Vor dem eigentlichen Festprogramm warden auf einer grossen Leinwand noch Videoclips von älteren 17. Mai-Feiern gezeigt, was inmitten tobender Kinder trotzdem irgendwie einen würdevollen Rahmen schafft. Draussen startet das Kinderprogramm mit Schwammwerfen, Mal- und Geschicklichkeitswettbewerben, während sich in der Halle bereits die beiden Mannschaften für den traditionellen Tauziehwettbewerb formieren. Grob gesagt tritt dabei der Westteil der Insel gegen den Ostteil an. Da die meisten Fischer und Landwirte im Ostteil von Godøya wohnen, ist meist schon bei der Aufstellung der Teams eine Vorentscheidung gefallen. So auch im Jahr 2018, als der Osten die (seltene) Schmach der Vorjahres-Niederlage durch einen überzeugenden Sieg vergessen liess.

Das anschliessende Festprogramm besteht aus Musikeinlagen, Festansprachen und erstmals in diesem Jahr war auch ein Zauberkünstler dabei. Das Ganze geht knappe 2 Stunden, so dass die Feierlichkeiten gegen 17.30 Uhr ihr Ende finden. Der 17. Mai ist vor allem ein grosses Kinderfest. In früheren Zeiten bekamen die Kinder am 17. Mai das erste Softeis des Jahres. Jung und Alt treffen sich und verbringen einen ereignisreichen Tag in den Landesfarben rødt, hvit og blått miteinander. 

Das Festkomitee für 2019 ist bereits ernannt und das erste Vorbereitungstreffen hat bereits stattgefunden. Wie im Fussball gilt also auch hier: Nach dem Fest ist vor dem Fest




Ersten Kommentar schreiben

Antworten